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BLICK: Grosses Schaumwein-Tasting

Quelle Blick: Publiziert: 02.06.2024 um 08:34 Uhr  – Alain Kunz, Wein-Kolumnist

Helvetia vs. Weltauswahl

Ein Schweizer Schaumwein schafft es in die Top Ten

Das ist ein Novum: Erstmals erringen die Schweizer Weine in einem grossen Blick-Tasting keinen Spitzenplatz. Bei der Blind-Degustation von Schaumweinen siegt ein Ikonen-Champagner. Warum die Jury die einheimischen Schäumer trotzdem lobt.
Sechs grosse Themen-Degustationen hat Blick bislang durchgeführt, in denen es darum geht, herauszuschmecken, ob die Schweizer Gewächse mit der absoluten Weltspitze mithalten können. Fünfmal konnten sie es, denn nur einmal siegte kein Schweizer. Das war beim Syrah-Vergleichstest, als mit den Torbreck Vintners aus Australien ein absoluter Topshot aus Down Under den Waadtländer Serge Diserens und seinen Terra Solis auf den Runner-up-Platz verwies.

Sonst gabs bisher immer Schweizer Siege:

  • Pinot Noir: In der als Tschiertschen-Tasting in die Geschichte eingegangenen Pinot-Noir-Degustation in den Bündner Bergen gewinnt ein Einheimischer: das Weingut von Tscharner aus Reichenau GR mit dem Churer Blauburgunder Gian-Battista.
  • Chasselas: Beim «Heim-Tasting» gewinnt der Fendant Balavaud Grand Cru von Jean-René Germanier aus Vétroz VS, allerdings punktgleich mit einem Deutschen: dem Gutedel Le Clocher vom Weingut Blankenhorn aus Schliengen im Markgräflerland in Baden (D).
  • Chardonnay: Es siegt der Le Grand des Weinguts Riehen BS.
  • Sauvignon Blanc: Der Gewinner ist der Nonnenwein, der Sauvignon Réserve Fût de Chêne der Domaine Saint-Sébaste aus Saint-Blaise NE.
  • Merlot: Der Sieg geht ins Waadtland, an den Merlot Parcelle 422 der Frères Dutruy aus Founex VD.

Würden die Schweizer auch bei der siebten Themen-Degustation obenaus schwingen? Beim Schaumwein-Tasting im Hotel Alexander in Weggis LU sind die Prämissen gleich wie bisher: Profijury. Alles blind. 20 Schweizer gegen 30 aus dem Rest der Welt.

Und es zeigt sich: Erstmals haben die einheimischen Gewächse keine Chance auf einen absoluten Top-Platz. Als bester Schäumer made in Switzerland landet der Brut Nature Blanc des Weinguts Obrecht aus Jenins GR auf Platz 7. Auf Platz 10 klassiert sich der Blanc de Blancs des Castello di Cantone aus Capolago TI. Die helvetischen Sparkler dominieren immerhin die Ränge 11 bis 20 mit nicht weniger als sechs Weinen.

War das zu erwarten? Können die Schweizer Schaumweine wirklich nicht ganz mithalten mit der absoluten Weltspitze, obwohl die sensorische Wahrnehmung das Jahr hindurch einen anderen Schluss nahelegte?

Die Überraschung aus Österreich

Nun, solche Blindverkostungen sind natürlich unerbittlich. Und da stellen wir fest: Zum einen war gegen zwei der sechs Top-Champagner im Wettbewerb kein Kraut gewachsen. Keines gegen den Sieger, den Ikonenwein Dom Pérignon. Keines gegen den Zweiten, den fantastischen Grand Siècle von Laurent-Perrier. Aber auch keines gegen den Überraschungswein auf dem Treppchen, den Brut Réserve des Schlosses Gobelsburg aus Niederösterreich. Was nicht mal der Top-Schaumwein des Betriebs ist, sondern der Basis-Sekt.

Dass die Champagner vorneweg marschieren würden, war für viele in der Jury klar gewesen. So auch für Robert Heinzer, VR-Präsident von Schuler Weine: «Nach wie vor setzen die Schaumweine aus der Champagne die Benchmark. Über 250 Jahre Kenntnisse des Terroirs, der Rebsorten sowie aller Produktionsschritte bis hin zur Perfektion geben der Champagne nach wie vor einen Vorsprung.»

Zum anderen tobt die «Schlacht um Zehntelspunkte» hinter den Grossen. Kleine Details entscheiden da über Rang 3 oder 10. Alles ist enorm eng. An der mittlerweile sehr hohen Qualität der Schweizer Schaumweine ändert das wenig. Heinzer sagt: «Die Runner-ups holen auf, und wie! Zu diesen gehören erfreulicherweise auch unsere Schweizer Produzenten. Insbesondere jene, die die Investition in die eigene Versektung nicht gescheut haben. Sie haben es geschafft, eine eigene Handschrift zu kreieren. Und sie werden je länger, je mehr für Furore sorgen.» Blick-Weinredaktor Nicolas Greinacher meint: «Zwei Schweizer in den Top Ten, dies bei dieser Weltklasse-Konkurrenz vornehmlich aus der Champagne – da kann ich nur sagen: Chapeau!»

Mauler und die jungen Wilden

Ins selbe Horn stösst Spitzenwinzerin Francisca Obrecht, die übrigens ihren eigenen Wein nicht erkannt und einige Weine höher bewertet hat: «Die Grenzen zwischen Franciacorta, Champagner und Schweizer Schaumweinen verschwimmen immer mehr. Eine aufregende Entwicklung für das aufstrebende Schweizer Schaumwein-Handwerk!»

In der Tat hat ihr Wein gleich viele Punkte gemacht wie der geniale Brut Rosé Vintage von Louis Roederer. Francisca Obrecht und ihr Mann Christian gehören zu einer neuen Generation an Winzern, die bedingungslos versuchen, Schaumweine allerhöchster Qualitätsstufe zu kreieren. Wie auch Patrick Adank aus Fläsch GR oder die Fattoria Moncucchetto aus Lugano TI, die mit ihren Schäumern Mitglieder der Schweizer Renommiervereinigung «Mémoire des Vins Suisses» sind.

Und dann ist da noch das Haus Mauler in Môtiers NE. Schlicht DIE Referenz für helvetische Schaumweine. Altehrwürdig, aber nicht altbacken. Schaumwein wird dort seit 1829 gemacht. 1859 zieht der Elsässer Louis-Edouard Mauler ins Benediktinerkloster Saint-Pierre aus dem sechsten Jahrhundert ein, um seine «Vins mousseux» dort zu produzieren. Die Reformation hatte die Mönche im 16. Jahrhundert aus den Klostermauern vertrieben. Drei Jahre lang lebte auch Jean-Jacques Rousseau dort. «Noch heute produziert unsere Familie in der Krypta und an einem neuen Standort jährlich gegen 800’000 Flaschen», sagt Christine Mauler. «Dazu stehen rund zwei Millionen Flaschen in den Lagern.» Die besten Crus, die unter der Ägide des ehrgeizigen Önologen Julien Guerin aus Mâcon im Burgund entstehen, sind schlicht klasse! Für Mauler reichte es knapp nicht in die Top Ten. Das Haus macht nicht nur eigenen Schaumwein, sondern versektet auch für Winzer aus der ganzen Schweiz.

Schaumwein-Boom ist am Abebben

Bis vor kurzem boomte Schaumwein im Gegensatz zu vielen Stillwein-Segmenten. Immer noch? Letztes Jahr wurde jedenfalls erneut für den Rekordbetrag von 259 Millionen Franken Schaumwein importiert. Der Durchschnitts-Flaschenpreis lag bei 8.30 gegenüber 7.70 Franken im Jahr 2022. Dieser Betrag ist höher als jener für Rotwein. Die importierte Menge hingegen ist minim kleiner geworden. Heute ist das Motto: Lieber ein besserer Wein als einer mehr.

Wobei natürlich Italien mengenmässig mit Abstand auf Platz 1 steht, mit fast dreimal mehr importierten Flaschen als Frankreich und siebenmal mehr als Spanien. Prosecco sei Dank! Der Wert einer Flasche aus dem Champagne-Land allerdings ist mit 22 Franken im Schnitt über dreimal so hoch wie jener aus Veneto und Co. Auf Platz 4 kommt Deutschland mit 1,1 Millionen importierten Flaschen. Das sind 400’000 Flaschen mehr, als Schweizer Schaumwein konsumiert wird! Der Marktanteil liegt dabei gerade mal bei drei Prozent des Schaumweinkonsums.

Unter dem Strich: Der Boom ist am Abebben. Es wird – dem allgemeinen Trend folgend, der einzig für Rosé nicht gilt, weniger Wein konsumiert. Für die Importeure aber ist der Markt nach wie vor äusserst attraktiv, weil immer teurere Weine konsumiert werden. Dass sich dies lohnt, hat das Tasting von Weggis unter Beweis gestellt